Die Hallen, die ich querte, waren einsam, die Stufen, die ich stieg, endeten im Nirgendwo und der Himmel war endgültig hinter Stein verschwunden.
Deswegen fand ich mich plötzlich irgendwo in dieser kleinen, warm beheizten, bunt gestrichenen Werkstatt zwischen traurigen Mädchen, die sich selbst verhungern ließen und alten Männern, die nicht zugeben wollten, dass sie traurig waren. Alle schluckten Medikamente und bastelten in den wenigen Freistunden Tassen aus Ton, aus denen niemals jemand trinken würde.
Ich schwang verbissen eine vermaledeite Stichsäge, um den Leib einer Linde in die Zacken eines Stegosaurus zu verwandeln, zerbrach Sägeblätter und Hoffnungen, und fragte mich zwischendurch, wie ich hier gelandet war, aber nie ernsthaft.
Eine ältere Dame, die anscheinend versuchte, wie die Parodie einer Handarbeitslehrerin auszusehen, huschte mit Leopardenbrille, grauem Kurzhaarschnitt und riesigen Holzperlenketten herum und sprach Lob aus. Das war ihr Job.
Ich versuchte stets, sie zu übersehen, aber sie war hartnäckig in ihrer Freundlichkeit.
Wie geht es denn heute so, fragte sie. Das tat sie jedesmal.
Gut, behauptete ich. Das tat ich jedesmal.
Sie beugte ihr Köpfchen mit den riesigen Augen noch näher zu mir.
Das äh, Geschöpf, nimmt langsam Gestalt an, wie ich sehe…, fuhr sie fort.
Ja, sagte ich. Mehr sagte ich nie.
Und hast du inzwischen Freunde gefunden, fragte sie.
Ich setzte an, Ja, sicher, zu sagen, aber aus irgendeinem Grund gelang es meinem Mund dieses Mal nicht zu lügen.
Nein, sagte mein Mund. Niemand will mit mir reden. Ich sitze immer allein am Tisch. Und natürlich bereute ich es zutiefst, das gesagt zu haben.
Sie lächelte ihr faltenreiches, winziges Lächeln und ihre Holzperlen klackerten.
Es ist nicht die Schuld des Tigers, wenn die anderen Tiere Angst vor ihm haben, sagte sie und zog weiter.
Ich dachte, sie würde mich verspotten. Ich fühlte mich so schwach, so wund, so verloren wie ein ausgesetztes Hauskätzchen. Mein Fell war räudig, meine Krallen gestutzt.
Aber als man mich dann wieder hinausließ, in die Hallen und Treppen aus Stein, da fiel es mir auf einmal leichter, sie allein zu durchschreiten, und mir wuchsen Muskeln und Zähne und Hoffnung und ich erkannte, dass auch der Himmel nie wirklich weg gewesen war.
Und die ältere Dame, davon bin ich längst überzeugt, war keine verkleidete Handarbeitslehrerin, sondern ein unsterblicher buddhistischer Mönch.

Newsletter!

Wenn du dich hier einträgst, erfährst du immer alles.

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.


0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Avatar-Platzhalter

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert