Sie ist eine Diva im Wollpulli und mit Löchern in den Strümpfen. Sie trägt den Lippenstift nur so ungefähr aufgetragen, aber immer in Rot. Vielleicht hat sie irgendwann einmal Zigaretten ohne Filter geraucht und sich abends an der Bar einen Whiskey bestellt. Inzwischen sieht man sie meist auf den Knien zwischen Rosensträuchern und Kräutern, aus denen sie Tee und allerlei mehr braut. Daher auch die löchrigen Strümpfe und die Erde unter ihren Fingernägeln und der Duft nach Schmetterlingsatem in ihrem Haar.
Sie ist eine Feenkönigin mit Lesebrille. Ihre Krone hat sie vor Jahren schon verlegt oder verschenkt, sie kann sich nicht mehr erinnern. Manchmal tauchen immer noch lyrische Jünglinge auf, die ihr unbedingt Lieder widmen wollen. Dann lächelt sie mit wolkengrauen Augen, die von Wimperntusche und Wissen überschattet sind und verteilt Besen, Bücher und heißen Kakao, den sie mit einem Schuss Spätsommer serviert.
Sie ist eine Tänzerin ohne Schuhe, und die Musik, auf die sie tanzt, erreicht höchstens die Ohren von jungen Füchsen und beinahe gefallenen Engeln. Ihr Rücken ist immer gerade. Ihre Haut ist immer warm. In ihrem Gürtel stecken dunkle Erinnerungen und silbernes Nähgarn, mit dem sie niemals die Löcher in ihren Strümpfen stopft. Sie webt manchmal Netze daraus, in denen sie unsere Tränen fängt. Einmal habe ich sie gefragt, was sie damit macht. Sie schenkte mir wortlos einen schillernden Käferflügel, und ich weiß bis heute nicht, warum.

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